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Written over pictures

Gross Neuendorf (Februar 2012,voraussichtliches Filmbild am Anfang von "Written over pictures")
Gross Neuendorf (Februar 2012,voraussichtliches Filmbild am Anfang von "Written over pictures")

Gott…wo begann das alles ?

Jahrelang hatte ich das Land bereist… zwischen Ostsee und der großen Stadt …dann östlich der großen Stadt…

Erst spät  in diesen Jahren prägten sich diese Landschaften,diese Dörfer und Städte ein. Fanden ein Gesicht…

Geschichten waren uns erzählt worden. Meist einfache Geschichten …von Landschaften,Städten,Dörfern.Und wir hörten zu.

Die Stadt war anders. Das Leben dort auch. Oder doch nicht ? War ja mein Leben.

Landschaften sind Fragen.

Städte sind Fragen.

Dörfer sind Fragen. Und schreiben sich übers Leben.

Und das Leben schreibt sich über diese Landschaften

…und jetzt schwamm er da… Grinsend…mit 86.

In einem See…fast bei ihrem Dorf.

Und Sie ? War einige Jahre schon weg.

 

 

Und nun fand ICH mich hier wieder. Stand an der Oder. Auf m Parkplatz.

In dieser Gegend war er nun großgeworden.Schräg rüber des Hafens auf der anderen Seite Richtung Woodstock.

…In dieser oft einfachen Landschaft. Hier war das Leben scheinbar stehengeblieben.

Ich machte mir Gedanken seit der Bretagne… über ihn,über mich,über uns…In einem Garten hinter Steinmauern hatte ich mit dem Schneiden begonnen. Zuerst zögernd,stockend fast…

Mit guten Freunden vom Rand des Oderbruchs und Tochter und Söhnen schauten wir dort über den Atlantik. Muscheln in Weißwein,Concarneaux und Tess, Ratatouille weißes Brot und Rotwein. Leuchtürme,Hafenstädte,Strand, und Felsen und meine 4 in Französisch und U2. Dachten an Freundschaft und Wärme und die große Liebe.

Das alles bewegte.

Und nun fand ich mich hier wieder. 20 Grad Minus in Groß Neuendorf … War nur MANCHMAL kalt. Ich MUSSTE hier  warten,damit meine Sony  sich mit diesen Bildern füllte.Dämmerung…und damit die Entdeckung der Langsamkeit.

Der Fluss sprach mächtig und tief in dieser Stille.Ein tiefes knackendes fast knarrendes Grollen unter dem Eis. Respekt vor dieser Einfachheit.

War nur MANCHMAL kalt.Und ich dachte an unsere schweren Jahre,das Lachen in der Stimme…an das Flunkern der Eistaucher...An Küstrin und Blankensee.

Und stieg ins Auto…Richtung Berlin…  mit Sehnsucht.

 

 

Hans geht

Ankündigung zu "Hans geht" (Juni 2012)
Ankündigung zu "Hans geht" (Juni 2012)

 

 

Der Flur

Weißt Du noch ?(…)

…schon bevor die Tür aufging ,war in frühen Jahren ein Lachen zu hören,oder von innen wurde gepfiffen oder gekratzt.Und die Nachbarskinder oder die Enkel wunderten sich über geheimnisvolle Finger an klappernden Briefschlitzen.Und quietschten vor Glück und Aufregung…Oder man hatte unten an der Nollendorf 15 geklingelt und wenn man die Treppen hochkam stand die Tür zum Flur schon offen.Ein Lächeln.

Dieser Flur.Auf ihm waren wir der Eisenacher 114 entflohen.Diesen schönen und harten Geschäftsjahren…diesen Kasslerbraten,Schweinehälften ,diesen Wienern,den Konserven und diesen wunderbaren Eisbechern der Eistruhe.Hausbecher…Langnese…

Weißt Du noch ?! (…)

Die Nollendorf 15…das war nur um die Ecke.Aber hier begann was Neues.In diesem Flur begann was Neues.

Weißt Du noch?(…)

Der erste Blick in diese fast 160 Quadratmeter…so lang dieser Flur…Wer hier alles hindurchlief…Toupierte Blondinen,Versicherungsvertreter,Leute aus Polen,der Türkei,Litauen ,Zeitungsladeninhaber und Bäckersleute aus Teneriffa…Tanten,Nichten,Neffen,Brüder und Schwestern,Schwiegertöchter und Enkel…Nachbarn und Nachbarskinder…die wuchsen auf,die wurden groß…weißt Du noch ?!(…)

Die wurden Freunde.Erste Freundinnen des zweiten Sohnes schlichen sich samstagsnachts durch diesen Flur nach draußen.Die Haare ganz wild,und ganz verwirrt sich schwarze Träger über die Schultern ziehend…Und wurden doch bemerkt….Weißt Du noch ?! (…)

Ach …das Schleichen.Schlich sich der zweite Sohn nach der Schule doch manchmal durch diesen schier endlosen Flur…Die Note in der Mappe war keine zwei.Der Flur wurde lang und länger.

Hier standen bemalte Milchkannen und Bilder hingen…Herbst,Winter… das Frühjahr  der Sommer.Wie oft quoll die Garderobe von Jacken über?! Oft!

Weißt Du noch ?! (…) In diesem Flur kamen Nachrichten an.Die guten…und die  schlechten.Hier war das Reinkommen und das Rausgehen.Hier gab es Abschiede und das Willkommen.Hier war die Hafeneinfahrt für Unerwartetes.

Ankunft und Abschiedsblicke.Aber doch…ein Wegfahren um Anzukommen.

Die Tür wurde zugeschlossen und das tobende Meer brach nur selten ein.

Weißt Du noch !? (…)

 

 

 

 

 

 

 

 Die Küche

 

Weißt Du noch ?! (…)

Die Tante …die Schwester. Weißt Du noch ?! (…)

 Eisbeinessen.Geschnetzeltes und Sonderwünsche.Schokoladenpudding…(der vom Zaunpfahl in Eisenhammer)mit Vanillesoße. Ossobucco… und Rinderfilet mit Speck umwickelt…und Blauschimmel drin.Und ohne Vanillesoße.Erbseneintopf und Kopfschütteln wenn man zu spät zum essen kam…weil man zwischen Ostsee und Leipzig im Stau stand.Rote Grütze…aus der Tüte…aber lecker.Mit Saaago !!!! Weißt Du noch ?! (…)

Das Dreiergespann was sich abends unter der Uhr am plastikbedeckten Tisch wiederfand.Mit Brot aus dem KaDeWe.Mit Schmalz,und Leerdammer und Leberwurst und Kakao und Bückling und Fischsuppe Samstagmittags vom Winterfeldplatz.Die Fischsuppe fand ihren Weg in die Uckermark.Und das fehlende Ei fand seinen Weg zur Nachbarin unten.

Etwa so: Um 19:55 Uhr klingelts an der Tür  (kurz vor der Tagesschau…so ein Mist): „Ich brauch ein Ei“ sagt die blonde Frau deren Sohn manchmal mit schier unstillbarem Hunger ausgestattet ist.Am Anfang sagt sie noch…sie hätte es eilig…beginnt dann aber von einer Tour mit dem Fahrad zu erzählen…

Ab und zu kommt das „Ei“ noch vor in den dann folgenden Reiseberichten.Seigon,der Rheinfall von Schaffhausen,Leipzig,England das Eiland wie weiland Kolumbus das Ei fand.Usw usw…Es hört garnicht mehr auf.

Um 23:20 geht die blonde Nachbarin wieder runter.Das Ei hat sie vergessen.Und R. kennt sich gut mit „Call a pizza“ aus.Und die Tagesschau…na ja…

Weißt Du noch ?! (…) In dieser Küche wurde Bauchschmerz mit Kamillentee bekämpft.Auch nachts noch.Hier lagen Knoblauchpillen.Geschirrspülmaschinen hingegen  wurden kaum benutzt.

Manchmal in späten Jahren fehlte der Appetit.War trotzdem ein Appetit auf „ Leben“ Unbeirrbar.Beinahe immer da.

Rezepte.Und nie wieder diese mageren,schlechten Zeiten…Nie wieder Hunger…Nie wieder Töpfe aus russischer Gefangenschaft  voller Krähenbrühe oder Fischköpfen.

Dann lieber ne Eule…vom Fritz…

Weißt Du noch ?! (…)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Das Bad

 

Weißt Du noch ?! (…) Der knallende Ölofen…nur um zu baden…nur um zu baden !!!…gab es Explosionen wie auf Schlachtfeldern.Verdun !!!! Hier wusch man sich die Hände nach Tagen auf  Schlachthöfen die „Kaisers“ hießen.

Hier wurde endlos geduscht für erste Verabredungen…stundenlang.Bis mütterliche Fäuste das Ende herbeitrommelten.“Hab Dich mal nicht so!!!“Buschtrommeln.Unsäglich roch es dann trotzdem nach Lagerfeld.Und mal nach Haarspray und Brisk:

“Für die Tolle“…als „Tolle“ noch „Tolle“ war.

Hier endete also der Vico Toriani vorm Spiegel…

Hier wurde die Tür geschlossen,als Söhne plötzlich auszogen und das Fliegen lernten.Da war dann das mutige Weinen hinter dieser Tür.

Weißt Du noch ?! (…)

Hier endete es.Der erste Rausch…alles kam raus.

Man macht schon viel durch im Leben,oder ?!…ob so oder so…

Enkeltöchter und Nachbarskinder tauchten unter…und mit Schaumkronen wieder auf… in dieser Wanne.Und keiner schwamm zu weit raus…

Es gab ja einen Leuchturm.Weißt Du noch ?! (…)

 

 

 

 

 

 

 

Das Schlafzimmer

 

Und dann krachte es im Heu…weißt Du noch ?! (…)

Hier war man sich sicher.Das Mädchen aus der Uckermark,diese reine Dorfschönheit …und er…die hatten sich mal am irgendwo am Kaiserdamm kennengelernt.

In großen Spiegeln…weiß gerändert …wurden am Abend die Tage gespiegelt.Und die Zeiten und das Wohlergehen und das Schlechte.Die grell grünen Zahlen des LED Weckers mit einem Handtuch abdeckt …das Chanel No 5 blieb verpackt als Kostbarkeit.In Pappschachteln Fotos und Briefe.Tagebücher und Aufzeichnungen…Hier wurde Gutes beschlossen…hier gab es Sorgen über die Gesundheit über Kinder und Enkel.In diesen Aufzeichnungen wurde sich oft angenehm erinnert.Die ersten Schritte von N.,das erste Lachen,die ersten Worte…Hier gab es letzte Blicke.Und Angst und Tränen und Lust und Witz und Lachen einer immer jungen Frau.

In der Eisenacher überm FleischerLaden schaute man aus dem Schlafzimmerfenster schräg rüber auf den Spielplatz…Krähen wurden lauthals am Fenster imitiert.Mutter und Sohn.Wir duckten uns kichernd,wenns jemand von der anderen Seite sah.Da waren die Antiquitätenläden und die Bars.Mein Kopf wurde weggedreht,wenn morgens die Damen aus „der roten Mühle“ nachhause torkelten.Das mit den „Krähen“ machten wir bevor der Laden aufmachte.In der Morgenkühle.Und bevor die Schule losging…Kyffhäuserstrasse.Auf dem Bett lag man als Kind…Kopfüber die Beine hoch an der Wand…“Entspannung „hieß das.Mit einem verschmitzten aber riesigem Lachen.Hier wurden Lieder gesungen.Schlagermusik…ganz sentimental…traf mitten ins Herz.Und das es „Eisenach“ wirklich gab…das war unbekannt.Und die Spielzeuglok mit den vier oder fünf Wagen aus Sonneberg landete Mitte der 70 er auf dem Sperrmüll.Und dann kam die Nollendorfstrasse.

Weißt Du noch !? (…)

Fächer voller Bettwäsche und Handtücher.Noch heute ist der Duft in diesen Tüchern und die Nase funkt Erinnerungen an den Kopf.Weißt Du noch ?!

Und dann das heimliche,kichernde Lachen…und dann krachte es im Heu…weißt Du noch ?! (…)

 

 

 

 

 

 

 

 Das Wohnzimmer

 

Weißt Du noch !?(…)

„Das braucht doch keiner.Überkandidelt.Das Zimmer ist zuviel.“ Und doch wurde hier in gleisend,heller Sonne gebügelt.Schallplatten liefen dabei…Peter Alexander,Volksmusik und manchmal nur„Eins und eins,das macht zwei“ von Hildegard Knef… wenn einen das Leben überrollte.

War das Zimmer zuviel? Wirklich zuviel? Wie klein waren die Zimmer in Blankensee in der Uckermark in den 30 er 40er Jahren? Wie groß waren sie an der Oder? Und war jetzt hier nicht Heimat? War nicht hier was ganz anderes entstanden?Sonntags wurde hier mittags geschlafen,geschnarcht und Kuchen gegessen…und als Ronald Reagan Mitte der 80er in Berlin war und der Winterfeldplatz deswegen brannte und Steine flogen saß man hier in diesem Zimmer und verstand die Welt nicht mehr.Hier war Heimat…nach Blankensee und Eisenhammer.Und  jetzt ?! Hier wurde auf der Couch hinterm marmornen Tisch Politik gemacht.Lauthals und ganz aufgeregt.

Und dann…die Schrankwand.Anderthalb Kilometer lang und hoch wie ein deutsches Mittelgebirge. Braun war sie…steht jetzt im Wedding.Unter dem Barfach (mit Eckes Edelkirsch und Eierlikör und süßen Weinen und so) gabs eine Tür hinter der Geschenke lagerten.Das kleine KaDeWe Lager.Es roch nach Sprengelschokolade in diesen Fächern.

Man ging gern ins KaDeWe.In der Eisenacher ganz schnell in der Mittagspause übrigens…Die Heimat hatte sich verändert.Aber in diesen Fächern roch es ja nach Heimat.Nach der neuen Heimat und der alten Heimat.Es duftete.Und es duftete nach alten Fotos.Nach Brüdern und Vätern und Söhnen und Töchtern.Nach den Arnims,nach Tieffliegern,nach den Fünzigern und jungen Brautpaaren am Rathaus Pankow…und nach FDJ und besten Freundinnen…Nach alten Geschichten.Auch unbequem.Kaum bekannt aber voller Sehnsucht,Aufbruch und Liebe.

Und dann zum 70 ten lief die Knef wieder…Für mich solls rote Rosen regnen…

Die Knef,der Pfitzmann,der Koffer in Berlin…Weißt Du noch ?! (…)

 

 

 

 

Das Zimmer der Tante

 

Weißt Du noch?!(…) Die Balkontür stand offen an  diesen lauen Sommerabenden.Die Ohren waren in den Jahren schlecht geworden.Der Mut aber und das freundliche Durchhalten war  diesen Ureinwohnern  in 1000 Berlin 30  Nollendorfstrasse 15 , 3 Stock links irgendwie eingepflanzt.

Da saß sie in ihrem Sessel.Fernseher lief…der war wichtig…aber unwichtig sobald man den Raum betrat.Montag abend…Tiersendungen.Und dann Erinnerungen an spiegelglatte Wiesen…Unter dem Eis die Fische… und mit Holzschuhen auf der Mietzel…diesem kleinen Fluss an der Oder…bis zum Konfirmationsunterricht geschlittert.Mitte der Fünfziger Arbeit in der Teppichfabrik… eine dicke Freundin dann…und der Bruder plötzlich verliebt.

Weißt Du noch ?! (…)

Wie irre das am Anfang war…Die Drei in der Fleischerei.Die Drei von der Tankstelle…Wie gut das damals geklappt hat…Ein ruhender,genügsamer Pol…ohne viele Worte.Eine die Quarkstullen für große Neffen schmierte und in Rimini auch mal kleine Neffen verwöhnte.Und kochte…und kochte…und kochte…ohne diese vielen Worte.Eine die sich zurückzog in dieses Zimmer,wenns zu voll wurde. Der gute Geist…Ohne viele Ängste nach harter Zeit. Kaputte Hüfte …mit viel Herz.

Weißt Du noch?! (….)

 

 

 

 

 

 

 

Das halbe Zimmer

 

Weißt Du noch ?! (….)

 

Mit dreizehn vierzehn ist man nicht Fisch nicht Fleisch.Wände und Decken bemalt.Starschnitt  Udo Lindenberg an der Tür.Und erste Freundin…ich spür den Kies noch an den Knien …aus Kindertagen… und kauf trotzdem die erste von Nina Hagen.“Bei Wertheim gibt es Salamander…ich bring Dir einen mit ins Moos“

Und dann dieses alte Lied…“Dann mach sie wach ,Klaus…stör sie in ihrer Ruh“ Zig mal gehört…ganz fremd und neu alles.Und grün hintern Ohren.

Gleich,aber auch anders.

Und dann Berlin und dieser Stacheldraht auf weißen Zäunen…und dann Wertheim am Kudamm. Mit dreizehn vierzehn ist man nicht Fisch nicht Fleisch.Da ist man noch bisserl doof.

Aber mit sechzehn…da wird das Feuer Deinen Arsch bewegen.

Auf Teneriffa dieser Satz Jahre später: „Man kommt auch durchs Leben,wenn man nicht Fleischer gelernt hat“

Stimmt!

Zwar anders,aber einiges auch gleich.

Die Freude unseres verbotenen Lachens.

Gott sei Dank.

 

Weißt Du noch ?! (…)

 

 

 

 

 

 

 

Das große Zimmer

 

Mittelpunkt …Zuerst in die Essecke.“ Willst Du was mitessen ?“ Noch Jahre später,jenseits aller Weight Watchers Marotten kam diese Frage…Immer.Und nach der dritten Frage griff man dann ja doch zu.

Aber ging es ums Essen? Wirklich um Saltimbocca ala Romana,Buletten,Kartoffeln und Blutwurst oder dann (plötzlich doch) trocknen Rotwein von Karin? Nein…da war Zusammenhalt…darauf wurde wertgelegt. Das war es doch eigentlich…

7:30 Frühstück (Tante im geblümten Morgenmantel in tschitscherin grün)

…eine dreiviertel Stunde später um 11:25 Mittagessen.

10 Minuten später um 14:30 Kaffee und Kuchen.(Der stand aber immer schon 14:18  Uhr da)

Unmittelbar darauf um 17:12 Abendbrot.

Weißt Du noch ?! (…) Und immer wurde man dazu eingeladen.Das unsichtbare Fest begann.Unprätentiös und einfach.In dieser Einfachheit oft erleichternd.Eine zeitlang vergessen.Zu spät erkannt.

Es war gut ,aus Irland,Frankreich oder Anklam oder Kleinkleckersdorf auf diese Essecke zuzugehen.Man konnte auf dieser selbstbezogenen Bank noch super rumfletzen…ob mit vier oder fünfundvierzig.Wie im alten Rom…essen und liegen. Wow…wo haste das sonst?

Und dann die wildgewordenen Hunde,die hier gejagt wurden…

Und der Blick auf den Hof…Weißt Du noch ?! (…) Hast Du den gesehen,der da rumgärtnert ? Der seine Osterhasen aufstellt.Der freundlich zwischen den Nationen sitzt bei Hof Festen? Ein Wort und Herz für Kinder hat. Der Kinder  mit großgezogen hat? So einen Vico Toriani gabs doch mal…paar Hausnummern weiter ,schräg rüber über die Maaßen in ner Fleischerei,die es auch nicht mehr gibt.…etwas älter  ist er geworden…aber nur etwas…das mit der „Tolle und dem Brisk“ klappt irgendwie nicht mehr so…dafür 70 km Fahradfahren in Mecklenburg.Hatte der nicht mal einen Kiosk am Tegler See ? Ist der 60 Jahre im Winterfeldt Kiez…?

 

Durch diesen großen Raum wurde getanzt.Hinter diesen Altbautüren wurde gequatscht und diskutiert,gestritten und gelacht.Hier gabs erste Schritte und einen vollen Schreibtisch.Mal war kein Wort.Kinderküchen standen hier.Mit Essen aus purem Mehl.Das wurde trotzdem probiert…

Die blond toupierte Frau zieht ihren Mann zurück in die Kolonnenstrasse.Das heimliche Bier gibt’s heute noch.Das Geschirr wird abgeräumt.Ein Bild mit Havelblick an der Wand…

 

Weißt Du noch ?! (…)

 

(Lesung beim Farewell: Uli Schlottau (Vineta Bühne))

"Hans geht" in anderer Version zur Beisetzung meines Vaters im März 2021

Du bist Frankfurt

Du bist Frankfurt,diese Landschaft manchmal,am Rand die Oder.Dieses Frankfurt,wo ich am abend erst wegkam.Hatte mich in der Zeit verschätzt.Ende März muß es gewesen sein...es wurde langsam dunkel.Autobahn verpasst,über die Landstrasse durchs Oderbruch zurück nach Berlin.Dämmerung...es war noch kühl und es wurde blau.Diese Landschaft war noch nicht voll Farbe um diese Zeit des Jahres...aber nun verwandelte sie sich in grün blau Töne.

Eine lange leere Strasse,links ein langgestrecktes irgendwie erhabenes Gebäude.Fünfzigerjahre Laternen...eine alte Schrift...Kulturhaus.Kein Licht mehr drin...draussen holt sich das Moos die Steine wieder.

Kein Mensch mehr dort,wo früher gelacht wurde,geliebt und geflirtet wurde...wo Jugendweihen gefeiert wurden...wo Erinnerungen ihren Anfang nahmen.

Deine Jugend,Deine frühen Jahre.Du bist Frankfurt,Du bist Meiningen,Du bist Kulturhaus,Du bist Strasse und Weg.In Deinen Erzählungen,Deinen Blicken,Deinem Lachen.

Wichtig.Wegweiser.

Kaum ein Auto auf der Strasse...Freunde wohnen dort.Holzhaus mitten aufm Berg.Kinder schlafen.Nein.Bille spielt noch.Sag ihm Gute Nacht.

Wie selbstverständlich wird das fertige Abendbrot geteilt.

Komm.iss was mit...magst n Kaffee?Draussen fast dunkelblau,drinnen Wärme.Selbstverständnis.Auch das bist Du.Wo ich im Februar noch einen Freund mit kleinem Sohn vom Eishockey vom zugefrorenen See abholte um später zu reden und zu lachen beim Rotwein.Einzelne Autoscheinwerfer jetzt.Durchs Blau.

Selbstverständnis dort, wo früher russische Soldaten in Richtung Berlin marschierten.Wo Granaten explodierten.Wo Söhne starben.Wo heute noch deren Spuren in schwerem Boden liegen.

Dunkler Boden.Weites Land.Einer meiner Lieblingsfilme findet hier seine Handlung.

Die Kinder von Golzow.Altes Bild vom Heimatdorf meines Vaters.Aus einem Flugzeug aufgenommen,Wahrscheinlich in den Dreißiger Jahren.Blau Töne.

Wie gebaut wird auf diesem Boden...diesem Boden.

Auch das bist Du.Dieses Bauen.Leicht aber nicht

Kopflos.Nicht ohne Vorsicht.Klugheit hinter Deiner lieben Stirn.Kluge,liebe Stirn.

Am Telefon begeistert, fast ausgeflippt Wochen später, umringt von knallgelben Rapsfeldern.So intensiv,so schwelgerisch,fast verschwenderisch diese Landschaft.Lust,einfach in die Felder zu gehen.Tu s doch!

Bist Wegweiser.Paar Stunden später mit meiner schwarzen Hose in gelben Blüten und süsslichem Duft bis zur Brust.Bist Wegweisung,weil Du wie ein Kind manchmal denkst.Weil Du nicht Wölfin bist,noch Lamm.Weil Du Dinge bewahrst,

Wichtige Dinge.Grundlegende Dinge.

Du weißt nicht,wie wichtig Du bist.Wichtiger als alles.Schwarze Hose ganz gelb.Aber sauschön.

Die Wichtigkeit der Wichte.Manchmal Wichtel.

Die im Mac Donalds mit Schokoshake spritzen.

Schwarze Jacke ganz braun.Aber sauschön das Weinen und das Versöhnen mit der Tochter.

Das Weinen um die Töchter.Den Blick und die Gedanken in Richtung morgen.

Nicht wie wirs bei den Alten sahen.

Sanft der M. den Rücken krabbeln,ihr

Geschichten vorlesen.Schlafanzugtag in der Anton U. 45.Ganz Mutter.Auch das bist Du.Stolz Dich zu kennen in der grossen Stadt im Norden.

Deine Kraft und Schwachheit,Dein Aufgewecktsein ,und Deine Müdigkeit.Das alles bist Du.Bist Weg und Strasse.

Im Radio läuft Diana Krall.Narrow Daylight.

Durchs offene Autofenster duftet der Regen im Fahrtwind.Schwarz unter den Wolken.Frühlingsregen.Bist Regen auf trocknem Land.Bist roter Schlafanzug und Inspiration und verwuschelte schwarze Haare beim Frühstück.

Wie sagt man es richtig,wenn Dein Muttersein Aufmerksamkeit erfahren soll?Weißer Wein mit Wasser.Frisch.Tomaten,Brot...

Auch...so auch.Dir in Müdigkeit,mitten im Stress Dank zollen.Einmal der Butler sein,mitten im Arbeitstag,zwischen Schuldnern und zwischen Tür und Angel,mitten in Thüringen.Viel zu wenig.Find das toll,wie Du das als Mutter machst...Egal die 380 Kilometer.Du

bist Weg und Landschaft.Du!Bis am Horizont man kaum noch was sieht.Bist Weg und Landschaft durch die man fährt.Aber dort bist Du noch immer.Prägst und setzt Zeichen.Ganz wichtige Zeichen.

Bist das italienische Schloß auf der Rückfahrt von Usedom im Uckermärkischen.Schloß im wilden üppigen Grün.Bist Schlossherrin und Mutter zugleich.Die Erzählungen dieser Frau,ganz ungräflich in Arbeitsklamotten.Das bist Du auch.Und ihr Interesse.Das immer noch aufgeweckte in den Augen dieser alten Gräfin.In Gummistiefeln.

Im Fernsehen Sonntag:Bagdad Stories.Die Amerikaner im Irak.Die Menschen dort.Doch auch nur Menschen.

 

Ja,und Dich dann wieder ruhen sehen wollen.Irgendwann letzte Woche ne

SMS über Brandenburg und Leipzig und Erfurt

gefunkt.Dich schlafen sehen.Dieser Gedanke dafür sorgen zu können.Dieser irre,glücklichmachende Gedanke.Wohltuend.

Auch diese Gedanken bist Du.Gedanken und Dein Wesen,das man lieben muß.Ganz und gar oder gar nicht.Sonst hat man nichts kapiert.

Bist ganzer Liebe wert,nicht halber.Einfach so und ohne Grund.

Dein alter Tisch,Deine Ideen,Deine Verrücktheit.

Deine roten Lippen,der Rotwein, den Du trinkst.

Deine Dire Straits Musik.Sultans of swing.Deine Jugend...und wie Du sie Dir bewahrst.Wie Du sie für Meike bewahrst.

Wie sich Dein Gesicht verzieht,wenn Du auf den Spielplatz musst.Wenn du Spiele spielen musst.

Dein Stolz auf Meike.Dein Kampf für sie.Das ist Strasse.Deine Arme Krabbeln im Tim,s am Winterfeldtplatz.Deine Geschichten von Deiner lieben Oma.Dein grosses,weites Herz.Dein Lassen und Tun.Das ist Landschaft.Dein Kämpfen.

Bist Strasse,Weg und Landschaft durch die ich fahre.

Paar Wochen später an Krausnick vorbeigefahren,südöstlich von Berlin.In mich reingegrinst.

Und jetzt italienisch.

Bist Süden und Norden.

Bist Landschaft.Jeder Wald durch den ich fahre.Bist Strasse und Weg.Bist Regen und schwerer schwarzer Boden.Im Winter ganz weiß und blau.Bist Schnee.Leise.

Von Frankfurt an der Oder nach Berlin.

22 Uhr.

 

 

A. für I.

 

 

Dreißig weiße Äcker

Nach glänzend schwarzer Nacht

auf dreißig weißen Äckern

hätt ich s großgezogen.

Die Bäume waren weiß und schmal.

Trotz Sonne.

Die war ja da.

Wie immer.

Ich hätt´s so gern genommen.

Und Dich !